Unter der Woche hatten wir eine gemeinsame Stellungnahme der Fanszenen Deutschlands veröffentlicht, die wir vollumfänglich mittragen. In diesem Zusammenhang kommen wir aber auch nicht darum herum, einige Worte zu unserem eigenen Verein zu verlieren.
Dieser ist nämlich, allen voran Karl-Heinz Rummenigge, vor allem daran interessiert, den bisherigen Status Quo zu festigen. Bereitschaft zu Veränderungen? Vielleicht. Aber nur wenn das eigene Stück vom Kuchen nicht schrumpft.
Diese Haltung ist für uns an und für sich schon abzulehnen. Absurd wird es aber, wenn man sich vor Augen führt, wie oft sich der FCB in der Corona-Pandemie mit der eigenen Solidarität profiliert hat. Ob es der Gehaltsverzicht des Profikaders, die Unterstützung von Amateurvereinen oder die Unterstützung für eine von Spielern initiierte Kampagne war, nie wurden die Offiziellen müde zu betonen, wie sehr sich der FC Bayern für Schwächere einsetzt.
Gleichzeitig wurde suggeriert, dass natürlich auch der FC Bayern verstanden hat, dass es in Zukunft so nicht weitergehen kann.
Ob Karl-Heinz Rummenigge, der sich mehr Vernunft und ein wirtschaftliches Umdenken wünscht oder Herbert Hainer, der ins selbe Horn stößt, den Vereinen Demut attestiert und der Meinung ist, dass es so wie zuletzt nicht weitergehen kann.
Offensichtlich wird dabei beim FC Bayern aber nur an die Ausgabenseite gedacht. Ablösesummen, Spielergehälter und Beraterkosten können und sollen gerne gesenkt werden.
Geht es aber ans Eingemachte, im konkreten Fall an die Verteilung von Einnahmen aus den TV-Erlösen, herrscht Schweigen an der Säbener Straße.
Dass die konkreten Reformvorschläge von Fanseite ignoriert werden, verwundert schon nicht mehr.
Aber auch mit einem Diskussionspapier anderer DFL-Vereine wird sich lieber nicht auseinandergesetzt. Stattdessen wurde alle Energie darin investiert, eine mediale Kampagne loszutreten, damit eine unsägliche Neiddebatte zu inszenieren und abweichende Meinungen zu tabuisieren.
Nur zu gerne entfacht man einen Verteilungskampf zwischen Groß und Klein statt sich, wie propagiert, mit solidarischen und zukunftsorientierten Lösungen zu beschäftigen.
Gerade der FCB als Branchenprimus wäre in der Verantwortung substantielle Änderungen anzustoßen.
Es wird dringend Zeit, dieser Verantwortung gerecht zu werden und dafür auch finanzielle Abstriche in Kauf zu nehmen, statt sich weiterhin wie Dagobert im Geldspeicher aufzuführen. Denn genauso muss es auf den neutralen Beobachter wirken. Durch seine sportlichen Erfolge hat der FC Bayern ohnehin deutlich höhere Einnahmen aus verschiedenen Quellen, wie zum Beispiel Sponsoring Ticket- und Fanartikelverkäufen, als die Konkurrenz. Die Zuweisungen aus dem TV-Topf der Liga machen bei uns dementsprechend einen geringeren Anteil am Gesamtumsatz aus. 113 Millionen aus der Zentralvermarktung entsprachen 2018/19 15% des Gesamtumsatzes. Werder Bremen erwirtschaftete hingegen 41% seines Gesamtumsatzes mit den 65 Millionen, die sie an TV-Geldern erhielten. Vereinfacht gesagt könnte man hier also von einer Doppelbelohnung für sportlichen Erfolg sprechen – er eröffnet zusätzliche Einnahmequellen und bringt gleichzeitig höhere TV-Gelder mit sich. Hierdurch öffnet sich die wirtschaftliche Schere zwischen den Vereinen immer weiter und der sportliche Wettbewerb wird durch diese rein ökonomische Komponente sehr stark verzerrt.
Langfristig könnte es auch wirtschaftlich im Interesse des FC Bayerns sein. Es ist jetzt sicher etwas anachronistisch Uli Hoeneß Zitat aus den 80ern zu bemühen, dass es dem FC Bayern nichts nütze eine überragende Mannschaft zu haben, wenn der Rest der Liga dann gar nicht mehr mithalten könnte. Aber ein wenig lässt sich die Hoeneß‘sche Meinung von damals doch übertragen: Der Großteil der Fans will keine Super League. Die Popularität des Profifußballs ist mit einer attraktiven Bundesliga verknüpft und lebt somit von der Konkurrenz der Traditionsmannschaften, vom Unerwarteten und der realistischen Möglichkeit, dass die Kleinen an einem guten Tag die Großen schlagen können.
Dabei wären unter den aktuellen Vorschlägen für eine andere Verteilung selbst die weitgehendsten, die auch den allergrößten Elefanten im Raum, nämlich die Einnahmen aus den Europapokalwettbewerben adressieren würden, noch lange keine Gleichmacherei. Selbst bei diesen Modellen würde der FC Bayern, wenn er die Mindereinnahmen komplett beim Spielerkader einspart, noch Gehaltsausgaben auf dem jetzigen Niveau von Borussia Dortmund vorweisen. Dem Rest der Liga wären wir also weiterhin deutlich voraus. In Europa hätten wir einen Anreiz uns auch dort für ein nachhaltigeres und weniger überhitztes wirtschaftliches Gebaren einzusetzen. Wahrscheinlich waren die Ohren dafür selten so offen wie jetzt.
Nachhaltige Veränderungen geschehen nicht von heute auf morgen und müssen nicht erdrutschartig passieren, aber es braucht jetzt einen ersten Schritt! Wir brauchen einen FC Bayern, der sich weitsichtig im Sinne eines spannenden und gesunden Profifußballs für eine gleichmäßigere Verteilung der TV-Gelder ausspricht.
Dann könnten auch die Fans wieder daran glauben, dass Selbsterkenntnis, Reformwillen und die schon erwähnte Solidarität mehr sind als Schönfärberei und leeres Geschwätz.
Schickeria München im November 2020